In ihrem aktuellen Report für die EU-Kommission macht Mariana Mazzucato konkrete Vorschläge für die Umsetzung und Steuerung (Governance) von „Missions“. Sie stellt und beantwortet die Frage, auf welche Weise sich öffentlicher und privater Sektor unser marktwirtschaftliches System zunutze machen können, um ambitionierte Missions mittels ebenso ambitionierter Werkzeuge und Instrumente umzusetzen. Sie betrachtet dabei drei Dimensionen:
- wie Werkzeuge des Regierens – von Beschaffung bis zur Preisgestaltung – auf die Ziele der Missions abgestimmtes Experimentieren fördern können
- auf welche Weise öffentliche Finanzmittel private Investitionen mobilisieren können
- wie soziale Bewegungen und Bürger*innenbeteiligung zu einem kreativen, offenen und ermächtigenden Prozess zielgeleiteter Innovation beitragen können
Einbeziehung der Bürger*innen
Co-Design
Empfehlung 1: Formale Konsultationen und der direkte Austausch mit Bürgerbewegungen, Zivilgesellschaft, Arbeiter*innen und unter-repräsentierten Gruppen sind notwendig, um eine wirksame Beteiligung der Bürger*innen bei der Entwicklung konkreter Vorschläge für Missions sicherzustellen.
Empfehlung 2: Öffentliche Konsultationen, deren Ergebnisse in die Definition von Missions einfließen, müssen so gestaltet sein, dass sie nicht von Interessengruppen dominiert werden können.
Co-Umsetzung
Empfehlung 3: Bürger-Wissenschaftler*innen und Innovatoren (Citizen Scientists and Innovators) können einen wirkungsvollen Beitrag zum Erfolg liefern und die Umsetzung von Missions ergänzen. Sie sollten aktiv zur Beteiligung ermutigt werden.
Co-Bewertung
Empfehlung 4: Missions sollten so gestaltet werden, dass Erfahrungen und Beobachtungen von Bürger*innen zur Dokumentation der erzielten Fortschritte genutzt werden können.
Bürger*innen-orientierte Kommunikation und Information
Empfehlung 5: Während des gesamten Lebenszyklus‘ einer Mission sollte bürger*innen-orientiert kommuniziert und informiert werden, um den Wert der Forschungs- und Innovationsaktivitäten für die Hamburger Bürger*innen und die spürbaren Auswirkungen auf ihren Alltag zu vermitteln.
Befähigung des Öffentlichen Sektors
Aufbrechen von Silos und Koordination für Missions
Empfehlung 6: Die erfolgreiche Umsetzung von Missions wird wahrscheinlicher, wenn Silos aufgebrochen und Aktivitäten zwischen Fachbehörden koordiniert werden – bei gleichzeitig klar geregelter Umsetzungs- und Letztverantwortung. Es ist erfolgsentscheidend, dass diese Aktivitäten von höchster Stelle in der Exekutive koordiniert werden.
Führung und flexible Arbeitsformen
Empfehlung 7: Steuerung und Umsetzung einer Mission sollte durch ein hochrangig besetztes Gremium unter Einbeziehung führender Repräsentant*innen aus Forschung, Wirtschaft und Bürgergesellschaft unterstützt werden. Sie beraten bei der Mittelzuweisung, Projektauswahl und -evaluation, und Experimenten mit neuen Arbeitsweisen.
Empfehlung 8: Flexible Verfahren zum Austausch von Mitarbeiter*innen verschiedener in Missions involvierter Fachbehörden, Agenturen und umsetzenden Organisationen sollten eingeführt werden, um Experimentierfreude und Risikobereitschaft zu fördern.
Empfehlung 9: Ein Portfolio-Ansatz bedeutet, dass der öffentliche Sektor seine Haltung zum Risko kritisch überprüfen muss. Er sollte sich weniger auf das Auslagern von Regierungsfunktionen fokussieren und mehr auf das Lernen aus Fehlern.
Öffentliche Beschaffung als Motor
Empfehlung 10: Die öffentliche Beschaffung innovativer Lösungen sollte durch Nachfrageanreize und Investitionen gefördert werden und damit Bottom-up-Innovationen vorantreiben. Dies verlangt neue, dynamische Bewertungsregeln, die darüber hinaus reichen, den Zuschlag nur der kurzfristig kostengünstigsten Lösung und einem „Gewinner“ zu erteilen.
Ordnungsrechtlicher Rahmen
Empfehlung 11: Ordnungsrecht sollte dazu eingesetzt werden, Innovation in Gang zu bringen (statt Barrieren zu errichten), die dazu beitragen, den gewünschten gesellschaftlichen Mehrwert zu erzielen.
Regelwerke und Fähigkeiten zur Bewertung der Brauchbarkeit
Empfehlung 12: Regierungen sollten neue Bewertungsregeln, -werkzeuge und -techniken anwenden, die über die statische Kosten-Nutzen-Analyse hinaus Zusatzeffekte über den ursprünglichen Betrachtungsbereich hinaus berücksichtigen (Additionalität), die direkt auf die Umsetzung einer Mission zurückgeführt werden können.
Finanzierung
Instrumente koordinieren, um Anreize für private Investitionen entlang der gesamten Innovationskette zu schaffen
Empfehlung 13: Die Einrichtung privater und öffentlicher Riskokapitalfonds, die auf die Unterstützung der Ziele der Missions ausgerichtet sind, sollte gefördert werden. Sie sollten insbesondere auf eine langfristige, geduldige Finanzierung achten (statt kurzer Investitionszeiträume).
Empfehlung 14: Die Politikinstrumente und Finanzierungen zur Umsetzung von Missions sollten langfristig bereit gestellt werden und Innovationen über den gesamten Zeitraum einer Mission passgenau zur jeweiligen Phase im Innovationsprozess unterstützen.
Finanzierung auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene aufeinander abstimmen
Empfehlung 15: Um die Wirkung von Missions zu maximieren, müssen europäische, nationale und regionale Finanzierungsinstrumente besser koordiniert werden.
Weitere private Finanzquellen erschließen
Empfehlung 16: Missions sollten die Interaktion mit EU-weiten Crowdfunding-Plattformen aktiv unterstützen, um an ihren Zielen orientierte bottom-up-Experimente zur finanzieren.
Empfehlung 17: Stiftungen sollten flexible Möglichkeiten geboten werden, sich bei Umsetzung und Steuerung von Missions einzubringen, um Synergien zu heben und Doppelungen bei der Forschungsfinanzierung zu vermeiden
Quelle: Mazzucato, M. (2019). GOVERNING MISSIONS. Governing Missions in the European Union.
V01 – 03.11.2019